Was nützen Thermalkameras wirklich?

Verbessern Thermalkameras den Schutz vor einer COVID-19 Infektion?

Beim Thema Wärmebild-Kameras scheiden sich die Geister. Häufig werden sie vermarktet als das «must-have for the new normal» um Kunden und Mitarbeiter vor dem Corona Virus zu schützen. Das klingt grossartig, doch lohnt es sich darin zu investieren?

Wir waren begeistert von der Vorstellung, mit dem Verkauf von Thermalkameras die COVID Ansteckungsrate senken zu können. Fieber zuverlässig aus der Distanz messen und das sogar bei mehreren Personen gleichzeitig, das könnte die Situation der gegenwärtigen Pandemie entschärfen, davon waren wir fest überzeugt.

Covid-19 als business opportunity?

Zu Beginn der Pandemie haben wir uns intensiv mit dem Thema Thermalkameras beschäftigt. Die Nachfrage nach Präventions- und Schutzmassnahmen gegen das Virus waren enorm und es sah so aus, als wäre es eine echte Win-Win-Situation, Wärmebildkameras in die Produktpalette von easypsim aufzunehmen. Schnell kamen wir in Kontakt mit einem grossen Hersteller von Überwachungskameras. Wir dachten, vielleicht gibt es bereits erste Lieferengpässe, aber man sagte uns, dass Wärmebildkameras schnell verfügbar sind und auch gratis getestet werden können. Es schien fast schon zu perfekt, als hätten wir der üblen Pandemie noch etwas gutes abgewinnen können.

Wärmebildkameras mit „Blackbody Einheit“

Konkret interessierten wir uns besonders für das Topmodell, dass neben der Themalkamera zusätzliche eine Blackbody-Einheit beinhaltet.

Die Blackbody-Einheit dient als Referenzgeber für die Thermalkamera, um in Kombination mit AI die Oberflächentemperatur berechnen zu können. Ein solches Setup entsprach unserer Vorstellung einer präzisen Temperaturmessung.

Die mögliche Abweichung der Temperaturmessung liegt gemäss Hersteller bei ± 0.54° F, das entspricht etwa 0.3 °C. Doch Präzision hat bekanntlich seinen Preis, mehr als 10’000 CHF kostet eine komplette Anlage inkl. Blackbody, Halterungen etc..

Sind die hohen Preise gerechtfertigt?

Die kommunizierten Händlerpreise erschienen uns sehr hoch, daher haben wir genauer hingeschaut und nach neutralen Testberichten gesucht, um gegenüber unseren Kunden die hohen Anschaffungskosten nachvollziehbar zu begründen und die Messgenauigkeit verifizieren zu können. Sucht man auf google nach «fever camera test + Hersteller X”, kommt man schnell zur Website von IPVM. Gemäss der Website testet IPVM Überwachungskameras, Videoanalytics, VMS Software und andere Produkte aus dem Kontext Sicherheit und Überwachung. Es gibt keine bezahlte Werbug oder Beitrage, man bezahlt aber für ein Abo und erhält dafür neutrale Testberichte. Auch der US Kongress hat sich schon auf die Expertise von IPVM gestützt. Gemäss den AGB von IPVM ist verboten, mit Informationen aus Testberichten Werbung zu machen. Da dieses Thema aber so wichtig ist, haben Sie öffentlich zugängliche Videos gemacht, was es uns ermöglicht mit Ihnen die Informationen zu teilen.

Kann Fieber mit Thermalkameras zuverlässig detektiert werden?

Auch für IPVM sind «Fieberkameras» ein heisses Thema. Sie haben umfangreiche Tests mit den meisten bekannten Produkten der Kategorie Fiebermess-Kameras und -Tablets durchgeführt. Die meisten Tests haben gezeigt, dass die versprochene Messgenauigkeit nicht eingehalten werden konnte.

Ein Algorithmus der Messwerte anpasst

Es konnte ein Algorithmus bei der Thermalkamera von Dahua identifiziert werden, der die gemessene Temperatur an die durchschnittliche Temperatur eines Menschen anpasst und damit die Messung manipuliert. Die Normalisierung der Werte führt dazu, dass Messungen sehr schnell durchgeführt werden können. Da die Mehrheit der Menschen kein Fieber hat, scheint das System dann auch zuverlässig zu arbeiten. Der eingesetzte Algorithmus führt aber eben auch dazu, dass Personen mit Fieber nicht zuverlässig erkannt werden. Ein Beispiel für die Angleichung der Temperatur ist ein auf eine Karton aufgeklebtes Foto, das mit 33°C (91.5 F° = ), eine fast schon menschliche Körpertemperatur aufweist. Es können auch vorbei fahrende Personen auf Skateboards „gemessen“ werden.

schnelle Messungen im Eingangsbereich

Die grosse Stärke der neu eingesetzen Thermalkameras liegt darin, dass Temperaturmessungen besonders schnell durchgeführt werden können. Normalerweise werden „Temperatur-Screenings“ im Eingangsbereich vollzogen. Weil die Aussentemperatur aber häufig nicht mit der inneren Gebäude Temperatur übereinstimmt, ist es grundsätzlich schon problematisch die Oberflächentemperatur der Haut von Personen zu messen, die gerade hereingekommen sind. So kann es passieren, dass Personen die sich zuvor an der Sonne aufgewärmt oder angestrengt haben, eine erhöhte Oberflächentemperatur der Haut aufweisen und sogleich den „Fieberalarm“ auslösen. Umgekehrt ist es im Winter, wenn die Oberfläche der sichtbaren Hautfläche schnell abkühlt. Brillen, Kopfbedeckungen oder Masken erschweren eine präzise Messung der Oberflächentemperatur zusätzlich.

Unsere Empfehlung zu Thermalkameras und Covid-19

Thermalkameras sind eine tolle Sache, wir sind aber der Meinung, dass Sie zur Eindämmung der Corona Pandemie heute nicht viel beitragen können. Es gibt zu viele Faktoren, die Messresultate verfälschen können. Das könnte auch dazu führen, dass falsche Sicherheit suggeriert wird, auch wenn die Temperaturen nicht zuverlässig bestimmt werden können. Ferner sind wir der Ansicht, das Thermalkameras die zur Fiebermessung bei Menschen eingesetzt werden, auch die gleiche Zulassungsbedingungen wie andere Fiebermessgeräte erfüllen sollten. Es müsste dann gemäss der Konformitätsbewertung geprüft werden, ob das Produkt den Anforderungen entspricht und die angepriesene Wirksamkeit bzw. Leistung erfüllt (Art. 9 Abs. 2 MepV). Eine Prüfung der Wirksamkeit würden wir sehr begrüssen, das würde auch die Frage nach der Genauigkeit von Messungen klären.

Quellenangaben:

IPVM about:

https://ipvm.com/about

 

IPVM Video „Dahua Rigs Fever Cameras, Covers Up“:

https://www.youtube.com/watch?v=gyPRXcjmkN4

 

Fiebermesser sind medizinische Geräte:

https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/ueber-uns/publikationen/video.html

 

Medizinprodukteverordnung:

https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995459/index.html